Berliner Konzept der Klumpfußbehandlung
Merke:
Klumpfüße sind heutzutage sehr gut konservativ zu behandeln und bedeuten meistens keine schwerwiegende Einschränkung mehr
Definition Klumpfuß?
Synonyme: Pes equino varus, Pes equino varus congenitus et excavatus
Der Klumpfuß stellt eine der häufigsten angeborenen Fehlbildungen dar. Er kann ein- oder beidseitig in unterschiedlichem Schweregrad auftreten. Die Verteilung Jungen zu Mädchen beträgt ca. 2:1.
Die Ursache ist weiterhin ungeklärt, eine familiäre Vererbung (genetische Disposition) kann jedoch bestehen. In einigen Fällen kann bereits in der Schwangerschaft beim Ultraschall des Ungeborenen die Fußfehlstellung gesehen werden. In diesen Fällen kann eine Beratung der Eltern bereits vor Geburt des Kindes hinsichtlich der Therapiemöglichkeiten stattfinden.
Die Behandlung des Klumpfußes hat sich in den letzten 20 Jahren deutlich verändert. Waren früher aufwendige Operationen zur Korrektur der Fehlstellung notwendig, konzentriert sich die heutige Behandlung möglichst auf eine konservative Therapie. Ziel der Therapie ist es, einen nahezu vollständig aus der Fehlstellung korrigierten gut funktionstüchtigen Fuß zu haben. Das Kind kann dann wie alle anderen Kinder laufen lernen und an allen Aktivitäten teilnehmen. Bei gut korrigierten Füßen kann der Laie kaum mehr einen Unterschied zu einem normalen Fuß sehen. Bei einseitigem Befall ist die betroffene Wade in der Regel schmaler als die der Gegenseite, genauso kann es einen Unterschied in der Fußlänge geben. Dieses sollte die Aktivitäten jedoch nicht einschränken.
Klumpfuß-Fehlstelllung
Diagnostik
Der Klumpfuß weist typische Fehlstellungen im Bereich des Fußes auf. Die Ferse steht hoch und ist invertiert, der Vorfuß einwärts gekehrt. Dieses kann in unterschiedlich schwerer Ausprägung vorhanden sein.
Klumpfuß – Therapie / Klumpfußbehandlung nach Ponseti
Die Therapie besteht darin, den Klumpfuß möglichst zügig nach der Geburt des Kindes zu behandeln. Umso eher eine Behandlung begonnen wird, umso besser sind die Chancen einer guten Korrektur. Der Fuß muss sukzessive aus der Fehlstellung herausgebracht bzw. mobilisiert werden. Die Standardtherapie besteht in einer Gipsredressionstherapie (nach Ponseti), d.h. in wöchentlichen Gipswechseln wird der Fuß jedes Mal ein bisschen mehr korrigiert. Hierzu werden Oberschenkelgipse in Kniebeugung angelegt. Der Fuß wird solange gegipst, bis die Fehlstellungen des Klumpfußes gut korrigiert sind. In der Regel sind hierfür ca. 6-8 Gipse notwendig. Trotz der Gipsredression kann der Fersenhochstand bei verkürzter Achillessehne als verbleibende Fehlstellung verbleiben. Hier muss dann im Verlauf entschieden werden, ob ein kleiner operativer Eingriff notwendig ist, dieses zu korrigieren.
Klumpfuß im Verlauf einer Gipstherapie – sichtbare Verbesserung der Fußstellung |
Es gibt andere konservative Therapieoptionen wie die Redression mittels einer speziellen manuellen Technik angelehnt an die Behandlung nach Bonnet-Dimeglio kombiniert im Verlauf mit einer Tapetechnik und einem darüber liegenden Unterschenkelgips. Die klassische Behandlung nach Bonnet-Dimeglio sieht vor, den Klumpfuß unmittelbar nach Geburt mehrfach wöchentlich manuell zu behandeln, dann zu tapen und anschließend mit einem Unterschenkelgips zu versehen. Auch hierbei wird der Fuß sukzessive aus der Fehlstellung heraus redressiert. Vorteil ist dabei, dass Knie und Hüftgelenke frei beweglich bleiben.
Berliner Konzept der Klumpfußbehandlung
Ich favorisiere eine Kombinationstherapie aus Ponseti und Bonnet-Dimeglio. Ich behandele den Fuß bereits nach der Geburt mit den manuellen Techniken angelehnt an Bonnet-Dimeglio. Anschließend wird wie bei Ponseti ein Oberschenkelgips zum Halten der Korrektur angelegt, der einmal (im Einzelfall auch zweimal) pro Woche gewechselt wird. Meistens sind hierfür auch ca. 5-8 Gipse notwendig. Der Vorteil der Redressionsmethode nach Bonnet-Dimeglio gegenüber Ponseti ist meines Erachtens in einer deutlich verbesserten Korrekturmöglichkeit des Fußes insgesamt. Der Ansatz der manuellen Handgriffe liegt in der Korrektur des gesamten Fußes einschließlich des Rückfußes. Durch die positiven Erfahrungen dieser Korrekturmethode sind in meinem Patientengut deutlich weniger Tenotomien (Durchtrennungen) der Achillessehne notwendig geworden bei insgesamt sehr zufriedenstellender Korrektur der Fußfehlstellung insgesamt.
Bei guter Primär-Korrektur des Klumpfußes erfolgt nach der Gipsbehandlung die weitere Therapie in Zusammenarbeit mit Physiotherapeut*innen. Hier gibt es ein Netzwerk von Physiotherapeut*innen, die mit der speziellen Tape-Technik und manuellen Technik zur weiteren Behandlung vertraut sind. Über das Tape wird dann zusätzlich eine Unterschenkelgipsschale angelegt, die je nach Stellung des Fußes oder Wachstum neu angepasst werden muss. Neue Gipsschalen sind je nach Wachstum alle 3-4 Wochen indiziert.
Der Vorteil gegenüber der klassischen Ponseti-Methode liegt darin, dass die Kinder nicht mit 2 Schuhen auf einer Stange fixiert sind (Alfa-Flexschiene, Beta-Flexschiene, Mitchell-Schiene um nur einige zu nennen), sondern beide Knie- und Hüftgelenke frei bewegen können. Auch bei einem nur einseitigen Klumpfuß müssen bei Behandlung mit einer Abduktionsschiene wie bei o.g. Modellen beide Füße zum Halten der Korrektur auf der Schiene mit den Schuhen fixiert werden. Bei der Tape-Technik wird natürlich nur der betroffene Fuß mit Tape und Gipsschale behandelt. Dieses ist vorteilhaft für die sensomotorische Entwicklung der Kinder.
Egal ob Ponseti-Behandlung oder Bonnet-Dimeglio: Klumpfüße müssen gerade in den ersten Lebensjahren konsequent behandelt werden, um ein Rezidiv, d.h. eine erneute Klumpfußfehlstellung zu vermeiden. Einigkeit besteht in der Dauer der Schienenbehandlung. Das betroffene Kind sollte mindesten 3-4 Jahre zur Nacht mit einer Schiene (Orthese) versorgt sein. Bei der Therapie nach dem Berliner Konzept werden nach Laufbeginn speziell angepasste Unterschenkelnachtlagerungsorthesen. Diese sollten bei einem Orthopädietechniker*in, der/die ebenfalls mit der Behandlungsmethode vertraut ist angefertigt werden. Bei der Behandlung nach Ponseti kommen o.g. Modelle zu Einsatz.
Klumpfußoperationen
Große primär korrigierende Operationen gehören glücklicherweise der Vergangenheit an. In einigen Fällen muss bei verbleibend hochstehender Ferse nach der Gipsredression eine Durchtrennung der Achillessehne erfolgen. Dieses wird in minimal invasiver Technik durchgeführt und kann unter lokaler Betäubung oder mit einer Kurznarkose durchgeführt werden. Im Wachstum kann es im Verlauf manchmal und je nach Schweregrad des ursprünglichen Klumpfußes zu einer erneuten Fehlstellungen des Fußes kommen, meistens ist die Ursache jedoch eine nicht konsequente Therapie. Hier muss dann im Einzelfall entschieden werden, ob z.B. eine erneute kurzeitige Gipsbehandlung, eine erneute Orthesenbehandlung oder ein operativer Eingriff zur Behebung der Fehlstellung notwendig ist.
Sport
Im Allgemeinen besteht bei seit Geburt gut konservativ therapiertem Klumpfuß keine Einschränkung hinsichtlich Sport. Hier muss aber im Einzelfall entschieden/beraten werden.
Klinische Kontrollen
Im ersten Lebensjahr wöchentlich bis zur Beendung der Gipsredression, dann in immer größer werdenden Abständen, in der Regel zum Anfertigen neuer Gipsschalen im Rahmen der Tapetherapie ca. alle 3-4 Wochen. Ab Laufbeginn ca. alle 2-4 Monate. Danach individuell je nach Befund.